PANCHO VILLA

Abenteuer auch noch nach dem Tod –

Der spätere Volksheld Francisco „Pancho" Villa wurde zwischen 1877 und 1879 als Doroteo Arango in Durango geboren. Der Chronist und Kurator des Pancho Villa Museums in Hidalgo del Parral, Don Alfonso Carrasco, meint, der Knabe sei eine Frucht der prima noche gewesen, dem damals üblichen Brauch, dass dem Gutsherr die erste Nacht gehörte, wenn er die Hochzeit seiner Bediensteten ausrichtete. In diesem Fall hieß der hacendado Louis Ferman (oder so ähnlich) und war aus Österreich eingewandert. Vieles spricht dafür, dass der Chronist recht hat: Doroteo Arango war von sehr hoher Statur, hatte grüne Augen und – bevor sie von Wind und Wetter gegerbt wurde – eine ziemlich helle Hautfarbe.

Im Alter von 16 Jahren erschoss Doroteo Arango den Sohn eines hacendado, der versucht hatte seine 12jährige Schwester zu vergewaltigen. Von da an war er auf der Flucht. Genaues über die nächsten Jahre ist nicht bekannt. Er lebte in Chihuahua, arbeitete immer mal wieder als Minenarbeiter und lebte vom Verkauf gestohlener Rinder. Dann schloss er sich einer regelrechten Bande an, die gegen die Landeigener kämpfte, die ihre Arbeiter – die peòns - wie Sklaven behandelten. Der Anführer dieser Bande hieß Pancho Villa. Als er bei ein- em Gefecht getötet wurde, übernahm Doroteo Arango dessen Namen und die Führerrolle. In den Jahren bis 1909 wurde der neue Pancho Villa für die Armen eine Art legendärer Robin Hood, der es immer wieder verstand den das Volk terrorisierenden Häschern des gehassten Diktators Porfirio Diaz zu entkommen.

Nachdem es seit 1906 im Land gegärt hatte, brach im Jahre 1910 die Revolution unter der Führung von Francisco Madero offen aus. Pancho Villa kam mit seinen Leuten aus den Bergen um sich ihm anzuschließen. So wurde aus dem Banditen der Revolutionär. Anfangs hatte er große Schwierigkeiten sich einzuordnen. Sekunden bevor er wegen Subordination exekutiert werden sollte, traf ein Pardon von Madero ein. Madero wusste was er an ihm hatte. Der charismatische Pancho Villa verstand es Tausende für seine Armee zu gewinnen, selbst viele US-Amerikaner. Wie Emiliano Zapata im Süden, waren es im Norden die siegreichen Streitkräfte von Pancho Villa , die den Sturz des Diktators herbeiführten und Francisco Madero zur - allerdings kurzen - Präsidentschaft verhalfen.

Pancho Villa behielt nach dem Sieg seine Truppen, und herrschte in Chihuahua wie ein Kriegsherr mittelalterlicher Prägung. Er gab sein eigenes Geld aus, nahm den Großgrundbesitzern ihre Herden und parzellierte ihre Ländereien für die Frauen und Kinder seiner gefallenen Mitstreiter. Die politischen Wirren der Nachfolgezeit gipfelten schließlich in einem Machtkampf zwischen ihm und Venustiano Carranza. Als die US-Regierung offen die Präsidentschaft des Letzteren unterstützte, rächte sich der enttäuschte Villa mit Überfällen auf amerikanische Grenzstädte , und ließ zum Beispiel die Stadt Columbus in New Mexico in Schutt und Asche zurück. So gesehen ist er die einzige fremde Macht die jemals erfolgreich in die USA einmarschiert ist. Deren Regierung schickte daraufhin 1916 eine Armee von 10 000 Mann nach Mexiko um Pancho Villa zu kriegen – tot oder lebendig. Die Mission war - wie eine zweite drei Jahre später - erfolglos.

Letztendlich – im Jahre 1920 - arrangierte sich Pancho Villa mit der Mexikanischen Regierung. Er gab seine Truppen auf , und erhielt eine riesige Hacienda bei Parral und sein Generalsgehalt auf Lebenszeit. In den folgenden drei Jahren sorgte er auf der Farm vorbildlich für seine Mitarbeiter. Er richtete Handwerksbetriebe ein und Schulen. Jedes Kind erhielt eine Ausbildung.

Am Morgen des 20. Juli 1923 fiel Francisco „Pancho" Villa in Parral – an der Stelle wo heute das ihm gewidmete Museum steht – einem Attentat zum Opfer. Von der amerikanischen Regierung gedungene Pistoleros feuerten 300 Schüsse auf ihn und seine Begleiter ab. Der Körper des Volkshelden war durchsiebt, alleine in seinem Hintern steckten 7 Kugeln.

Auf dem örtlichen Friedhof erhielt er ein schönes Grab, das zweieinhalb Jahre später geschändet wurde. Ein Dummkopf der wohl glaubte damit noch die von der US-Regierung ausgesetzte Prämie von 5000 Dollar kassieren zu können, stahl den Kopf von Pancho Villa. Seine entsetzten Verwandten nahmen zur Sicherheit den Rest des Leichnams und setzten ihn in einem unscheinbaren Grabhügel bei, den nur Eingeweihte kennen. Die entsetzten Stadtoberen wiederum wollten es nicht zulassen, dass das offizielle Grab ohne Gebeine blieb. Auf die Schnelle konnten sie nur die einer anonym verstorbenen Frau von 35 Jahren bekommen, die nun da lagen, wo die Anhänger und Bewunderer von Pancho Villa hin pilgerten. Im Jahre 1976 schickte der damalige Präsident eine Delegation nach Parral um den Leichnam ins Revolutionsdenkmal nach Mexico City zu überführen. Ein anwesender Arzt erkannte zwar dass es sich um die Gebeine einer Frau handelte, wurde aber wie alle anderen Beteiligten zum absoluten Stillschweigen verdonnert. Sagte der die Delegation leitende General: „ Wenn der Präsident sagt, ich soll den Leichnam bringen, dann bringe ich ihn". Und seitdem schicken die Eingeweihten aus Parral, wenn sie am Revolutionsdenkmal in der Hauptstadt vorbeikommen, einen Gruß hinauf: „Olé, Senora!". Derweil ruht der kopflose Volksheld in Parral - neben einer seiner 26 Frauen.

So wenigstens, hat mir Alfonso Carrasco, der Kurator des Pancho Villa Museums in Hidalgo del Parral, die Geschichte des heute noch sehr verehrten Volkshelden erzählt.

 

Heiko Trurnit