Das ABC der Urlaubsträume:

Viel Meer, Mangroven und Kakteen in Bonaire

 

 

An den hübschen Belmar Appartements im Ort Belnem direkt am Meer – am niedlichen Flamingo Airport Bonaire waren wir abgeholt worden – erwartet uns „unser“ Pickup. Wird auch gut sein, merken wir, als wir am nächsten Tag gleich „in die Berge“ aufbrechen, den National Park Washington-Slagbaai, der seinem größeren Bruder in Curaçao ähnelt: Schmale Holperwege führen uns stundenlang über Stock und Stein durch Kakteenwälder, an Felswänden und kleinen Seen vorbei, menschenleer und offenbar auch tierleer. Die Sonne brennt, und es geht bergauf und bergab, und hinter jeder Kurve lauert – was wir vor der letzten gesehen haben. Kein Wind, kein Sand und keine Sterne. Endlich ein Pärchen kleiner grüner Papageien, das kreischend davonstiebt. Schließlich rollen wir vorsichtig auf ein rehähnliches Wesen zu, das am Wegesrand äst. Aber beim Näherkommen entpuppt es sich als eine ganz gemeine Ziege, und davon sehen wir später noch mehr; und erfahren, dass hier ganze Ziegenherden auf der Insel herumstreunen und abfressen, was nur irgendwie fressbar ist. Dazu gehören auch Säulenkakteen, die ganz ähnlich jenen sind, aus denen traditionsverliebte Bonairos ihre Zäune bauen. Aber eben nur ähnlich – wer will schon, dass sein Zaun von einer Ziege gefressen wird. Viel Natur. Aber die ist offenbar nicht immer abwechslungsreich.

 

Auf dem Rückweg bleibt uns die südliche schmale Küstenstraße verwehrt, weil sie hier ein paar Kilometer als Einbahnstraße „gegen uns“ gerichtet ist. So müssen wir eine ganze Strecke zurück, wobei wir wieder nach den beiden jungen Ziegenböcken Ausschau halten, die sich auf dem Herweg mitten auf der Straße damit vergnügten, sich gegenseitig die Köpfe einzurennen. Vergebens.

 

Das bumerangförmige Bonaire ist 39 Kilometer lang und bis zu 11 Kilometer breit. Das ist hier doch ein ganz anderes Bild als in Curaçao, das von dem in alle Richtungen ausufernden Willemstad beherrscht wird. Kralendijk (Korallendeich), Bonaires „Hauptstadt“, in der etwa 12500 von den insgesamt 15000 Einwohnern der Insel leben, zieht sich vielleicht drei Kilometer an der Küste entlang. Im dichter bebauten Zentrum wohnen nur etwa 2000 Menschen. Die Shopping Meile ist vielleicht gerade mal 150 Meter lang. Ein paar Minuten, und man ist aus den Häuserzeilen heraus und in der überwiegend flachen Landschaft.

 

Bleibt das Meer. Und das ist allenthalben im Blick. 63 Dive Sites bietet die Taucherbroschüre an, und die meisten davon sollen auch fürs Schnorcheln geeignet sein. Erst mal muss eine Naturschutzgebühr von 10 Dollar pro Nase berappt werden. Den in den Reiseführern angesprochenen National Marine Park sucht man auf den Inseln vergebens – gemeint ist die gesamte unter Naturschutz gestellte küstennahe Wasserwelt.

 

Nun, von Curaçao her sind wir schon skeptisch geworden, und so kann’s hier mit der Schnorchelei eigentlich nur besser werden. Und wird’s auch. Allerdings bremst an vielen Uferstellen eine schwer zu überwindende kleine, zerklüftete Felsbarriere, von anrollenden Wellen überspült, den Drang ins Meer. Die Flossen sind eher hinderlich, bevor man flach auf dem Wasser liegen kann.

 

In Tolo lassen wir’s deshalb wegen hoher Wellen an diesem Tag lieber bleiben, aber bei den berühmten 1000 Steps flösseln wir an der Riffkante entlang und sehen ein paar Unbekannte in unserer Korallenfischsammlung. Andrea I aber ist noch besser. Nach dem Schnorchelgang setzen wir uns auf ein paar warme Steine und wollen unser Obst aus der Tasche kramen. Aber da war schon jemand dran: an der Banane fehlt ein Stück, und der Apfel ist angeknabbert. Wir blicken uns um. und da kommen sie schon näher: Erst eine grüne Eidechse mit silbernen Punkten, dann eine größere blaue Eidechse mit silbernen Punkten, dann ein giftgrüner Leguan mit geschwollenem Kamm und Halslappen, schließlich ein noch größerer grauer Bursche, zum Schluss eine Antillen-Spottdrossel. Sie fressen nicht nur die Banane, sondern auch gleich die Schale.

 

Echsen sind die Wahrzeichen der Inseln, und man begegnet ihnen allenthalben; und sei es in den kunsthandwerklichen Arbeiten der Einheimischen. Manchmal liegt am Straßenrand ein Leguan, der zu lange dort in der Sonne gefaulenzt hat und den Pneus nicht mehr entkam. Geschmorter Leguan ist auch ein beliebtes Angebot auf der Speisekarte.

 

Windsock in der Nähe des Belmar ist Teil eines langen Schnorchel-Strandes gegenüber dem Flughafen. Vor allem in der Nähe der Pier findet sich einiges Getier im Wasser. Aber Korallen sind auch hier Mangelware. „These are great spots to snorkel...“ schreibt Susan Porter, die schon lange auf der Insel lebt, mit der üblichen Übertreibung in der fünften Auflage Ihrer Broschüre „Bonaire Shore Diving Made Easy – Practical Guide to Shore Dive and Snorkel Sites of Bonaire“, die 92 Riffe vorstellt. Sie haben so schöne Namen wie Angel City, Alice  in Wonderland, Jeannie’s Glory oder Yellow Submarine. Der Zugang führt meist nur über ein paar Meter Steine abseits der Straße, die für unseren Pickup ein Kinderspiel sind.

 

Einen Tag verbringen wir in der Nähe der großflächigen Salinen, die im Süden der Insel ein Viertel der gesamten Landfläche einnehmen. Die schneeweißen Salzberge leuchten schon von weitem. In den rosafarbenen Wasserflächen davor fallen orangefarbene Punkte auf, die sich beim Näherkommen als Flamingos entpuppen. Meist haben sie den Kopf im Wasser, um nach den in salzigen Gewässern lebenden Insektenlarven und Kleinkrebsen zu gründeln.

 

Hundert Meter im Meer erhebt sich ein dunkler Förderturm, mit den Salzbergen durch ein Laufband verbunden. Hier können Schiffe die Salzladung übernehmen. Nicht weit davon entfernt ragen in einiger Entfernung voneinander verschiedenfarbige Pylone aus dem Uferstreifen.  Jeder zeigte mit seiner Farbe früher an, welche Salzart hier gebunkert werden konnte. Die Salz-Sklaven mussten watenderweise die Salzsäcke auf ihren Köpfen tragen. Die Säcke waren so schwer, dass zwei schwarze Männer einen Sack auf den Kopf der Frau heben mussten, die damit zum Boot zu wanken hatte. Von dort aus wurde das Salz dann auf die größeren Schiffe verladen.

 

Daneben hocken gelbe Steinhütten am Strand, kaum größer als eine Hundehütte. Darin schliefen die Sklaven. Wohnraum brauchten sie ja nicht – arbeiten, essen, trinken, schlafen, arbeiten... das war der Tagesablauf.

 

In der Nähe schweben bunte Schirme hoch über dem Meer – bei idealem Wind und ruhigem Wasser fegen die Kitesurfer über die Bucht. Mit einem wilden Sprung hoch in die Luft wenden sie in die andere Richtung.

 

Nicht ganz so schnell sind die Windsurfer in der türkisfarbenen, flachen, von einem Riff fast geschlossenen Lac Bay auf der Südostseite der Insel. Am schönen weißen Sandstrand warten die spielenden Kinder auf die wilden Väter.

 

Ein paar hundert Meter weiter nördlich umschließen Mangrovenwälder die Bucht, ein Irrgarten mit schmalen Kanälen, auf denen von Zeit zu Zeit bunte Kajaks auftauchen, in denen Touristen von kundigen jungen Guides in die Wunderwelt der Mangroven geführt werden, die besten Helfer der Menschen beim Küstenschutz und bei der Landgewinnung. So eng sind die Wasserwege hier manchmal, dass man sich mit den Händen an Zweigen entlang hangelt, weil für das Paddel kein Platz ist. Auf dem Grund liegt hier und da ein kleiner Rochen, ziehen Fisch-Babies dahin, nähren sich die fest im Schlick verankerten kleinen „Kopfüber-Quallen“ (wie mögen die auf Deutsch wirklich heißen?).

 

Abends im Belmar genießen wir jeden Abend im Westen einen phantastischen Sonnenuntergang, der sich unter Palmwedeln besonders schön fotografieren lässt. Im Norden liegt meist ein riesiges Kreuzfahrtschiff an der Pier in Kralendijk, nachdem es majestätisch an uns vorbeigezogen ist; manchmal sind es sogar zwei, zum Beispiel die „Aida aura“ (1266 Passagiere) und die fast doppelt so große „Grand Princess“. Alles andere überragt die „Caribbean Princess“, wenn sie wieder einmal vorbeikommt und ihre 3100 Passagiere in die kleine Shopping Meile entlässt, in deren Umkreis sich schnell kleine Märkte mit den üblichen Souvenirs für die rotgebrannten Amerikanerinnen eingerichtet haben.

 

Zum Abendessen sind sie wieder auf dem Schiff – die Restaurants wären mit dieser Menschenmasse, die in unterschiedlicher Größe jeden Tag hereinbricht,  heillos überfordert. Und so können die Passagiere die Köstlichkeiten im „It rains fishes“ oder im „Rum Runners“ garnicht genießen. Der Landaufenthalt ist beendet.

 

Beendet für Bonaire ist im Oktober 2010 auch die Gemeinschaft mit Aruba und Curaçao. Die beiden werden eigenständige Bundesländer innerhalb des Königreichs der Niederlande (wie St. Maarten im Norden). Bonaire hat sich dafür entschieden, wie die winzigen Inseln Saba und St. Eustatius im Norden der Karibik als „bijzondere gemeente“ in die Niederlande eingegliedert zu werden. Auch die eigene Währung, der Niederländische Antillen-Gulden segnet das Zeitliche; berechnet und bezahlt wird ab 1. Januar 2011 nur noch in US-Dollar.

 

Hanno Trurnit